Altarbild
Zugeschrieben wird das Altarbild dem vermutlich aus Nürnberg stammenden Tafel- und Glasmaler Hans Hesse / akg-images

Kirchenkunst - Arbeit ist das ewige Leben

In einer alten Kirche in Annaberg-Buchholz erzählt ein spätgotischer Altar von den Anfängen der sächsischen Industriegeschichte

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Auf der Rückseite eines im Jahr 1521 geweihten Flügelaltars in der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz ist ein weltweit einzigartiger Bilderbogen angebracht, der in seinen vielen Details ein tieferes Verständnis für das erzgebirgische Montanwesen vor 500 Jahren gibt. Zugeschrieben wird das ursprünglich vierteilige Altarbild dem vermutlich aus Nürnberg stammenden Tafel- und Glasmaler Hans Hesse. Besonders auf der Mitteltafel seines Altars hat der spätgotische Meister eine vielschichtige Bildgeschichte über die Silbergewinnung an der Schwelle zur frühen Neuzeit geschaffen. Eingelassen in eine aufwendig umgestaltete Industrielandschaft, die eindeutige Bezüge zur Annaberger Geografie aufweist, erzählt Hesse von den tiefen Umbrüchen seiner Zeit. Mit der Darstellung von Stollen, Erzhalden, Schmelzöfen oder Prägewerken belegt er, wie stark der Bergbau die erzgebirgische Lebens- und Vorstellungswelt an der Schwelle zur Renaissance geprägt hat. Zu einer Zeit, in der Michelangelo sein metaphysisches Welt- und Erlösungskonzept unter die Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom malte, hält man es im sächsischen Annaberg eher irdisch und fast ein Stück vorreformatorisch: Denn auch wenn hier und da ein paar Engel im Bildhintergrund auftauchen und auf der linken Bildtafel der Bergbaupatron St. Wolfgang zu sehen ist, so ist die Kernbotschaft auf dem einst von der Bergknappschaft in Auftrag gegebenen Altar unübersehbar: Glückseligkeit erreicht nur, wer fleißig schuftet. Seit 500 Jahren folgt die erzgebirgische Erlösung daher labora und nur ganz wenig ora.

Altarbild1.    DER LANDVERMESSER
Ein Landvermesser steckt mit einem Beilwurf neu erschlossene Grubenfelder ab. Im Mittelalter eine übliche Vermessungspraxis.

2.    DER TRANSPORT
Die verschiedenen Erzsorten wurden getrent zur Hütte transportiert. Gediegenes Silber wurde dafür extra
in kleine Erzfässchen gefüllt.

3.    DIE SCHALENLAMPEAltarbild
Ein Bergmann fährt aus einem Stollen aus. In der rechten Hand hält er eine Schalenlampe – ein offenes Geleucht, das mit Talg betrieben wurde.

Altarbild4.    DER BERGMEISTER
Als oberste Amtsperson beaufsichtigt der Bergmeister den Abbau und den Transport des Silbererzes. Daneben, im grünen Mantel, sieht man den Bergbaupatron St. Wolfgang, der hier im Umfeld von einfachen Arbeitern erscheint und die Szene metaphysisch überhöht.

5.    DER GÖPEL
Hinter einer kegelförmigen Umhausung wird ein sogenannter Pferdegöpel betrieben. Mittels Muskelkraft eines einzigen Tieres wird so eine einfache Fördermaschine in Gang gesetzt.

6.    DER HASPELKNECHT
Erzfördernde Haspelknechte bei der Arbeit. Neben dem Schacht ist ein brauner Erzhaufen zum Abtransport angehäuft.

7.    DER BERGMANN
Schlegel- und Eisenarbeit im Stollen. Man sieht einen Bergmann mit Säbel und Grubenbeil.

8.     DIE PRÄGEANSTALT
Den fertigen Silbermünzen wird mittels eines Hammers und einer Flachzange ein verbindlich festgelegter Wert eingeschrieben.


Sonderheft CoverDies ist ein Artikel aus dem Sonderheft „Mensch & Maschine“ von Cicero und Monopol












 

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