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Der US-Präsident und die Presse - Mit solchen Interviews hatte Trump wohl nicht gerechnet

Ein Interview mit Donald Trump sorgt seit Anfang der Woche für Aufregung. Dabei war es ein kritisches, unnachgiebiges Gespräch, wie ein Journalist es führen sollte. Warum sollte uns das kümmern? Über das Verhältnis zwischen Presse und Präsident.

Daniel C. Schmidt

Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Jonathan Swan weiß, wie man ein Interview führt. Am Anfang, als der sogenannte mächtigste Mann der Welt vor ihm Platz genommen hat, bedankt er sich für den Termin, dann kommt eine kurze Aufwärmphase: Ein bisschen dem Gegenüber schmeicheln, lockere Einstiegsfrage, er redet von der Philosophie „positiver Gedanken“, der Donald Trump sich angeblich verschrieben hat (der beißt nicht so richtig an), bevor das Gespräch im Tempo merklich anzieht. 

Am Ende des Interviews mit der Nachrichtenwebseite axios.com, das Anfang der Woche ausgestrahlt wurde und in Washington für viel Aufregung gesorgt hat, steht der Präsident da, wie man als Präsident nicht dastehen möchte: vorgeführt, bloßgestellt – und leider auch uninformiert. 

Er hatte Zettel dabei

Es war nicht so, dass der Präsident sich nicht vorbereitet hätte. Er hatte Zettel dabei. Im DIN-A4-Format, mal mit drei Kurven, mal mit vier Balken. Immer, laut Trump, mit den USA als Klassenbester in verschiedenen Kategorien im Kampf gegen das Coronavirus.

Als Jonathan Swan skeptisch auf die Zettel blickt und sagt, dass die Covid-Todesfälle hier proportional zu den positiv getesteten Fällen im Land und nicht, wie zum internationalen Vergleich üblich, proportional zur Bevölkerungszahl aufgelistet seien, erwidert Trump bloß: „You can’t do that“ – das kann man nicht machen. „Warum kann man das nicht machen?“, fragt Swan zurück.

Tough, gerecht, vorbereitet

Wer den Reporter im Weißen Haus trifft, wo er als Korrespondent für Axios arbeitet, wird ihm als netten, professionellen Journalisten begegnen. Sein milder, aber hörbar australischer Akzent sticht auf den engen Fluren im West Wing heraus. Für butterweiche Fragen ist er nicht bekannt. Er macht seinen Job, wie es sein sollte: Er ist tough, gerecht, vorbereitet.

Sein Interview, in dem Donald Trump ein paar, im wahrsten Sinne, denkwürdige Antworten gibt (angesprochen auf die ansteigende Zahl der Todesfälle sagt Trump: „Es ist, was es ist“), hat auch deshalb viel Applaus bekommen. Obwohl er lediglich das getan hat, was ein Reporter tun sollte: wache Fragen stellen, nachhaken, sich nicht mit bunten Balken zufriedengeben.

An ehrfürchtige Interviews gewöhnt

Ähnlich hatte vor ein paar Wochen der Fox-News-Redakteur und -Moderator Chris Wallace agiert. Auch er hatte Trump kritisch befragt und nach einer Reihe von ausweichenden Antworten des Präsidenten nicht locker gelassen. 

Das große Lob für die Gesprächsführung dieser beiden Journalisten sagt zwei Dinge aus: Wir haben uns daran gewöhnt, Trump in wohlwollenden oder ehrfürchtigen Interviews zu hören, sodass wir plötzlich aufhorchen, wenn mal jemand seinen Reporterjob ernst nimmt und es eben nicht kuschelig zugeht.

Ideologisch deckungsgleich

Bis zum Sommer 2019 hatte Trump seit Amtsantritt rund ein Drittel seiner Interviews Fox News oder Fox Business (einem Ableger des Senders) gegeben, wie die Washington Post in einer Studie ausrechnete. Fox ist ideologisch oft deckungsgleich mit dem Präsidenten, hin und wieder scheint der Präsident sich sogar politische Ideen aus Fox-Beiträgen abzugucken. Viele dieser Gespräche wurden im netten Plauderton gehalten.

Und obwohl sich Trump nicht selten den Korrespondenten im Weißen Haus stellt, sind die Pressekonferenzen dort auf ein, maximal zwei kurze Fragen pro Journalist reduziert. Raum und Zeit fürs Nachfassen bleibt kaum. Selbst eine beißende Frage kann Trump mit einer Nicht-Antwort parieren und dann einfach die nächste Person aufrufen. Falls genau die dann nicht für die Kollegin oder den Kollegen nachhakt, wie er dies oder das gemeint hat, verpufft die kritische Frage in Trumps gedanklichen Assoziationsketten.

Braucht es die Pressekonferenzen?

Was aus diesen Interviews hängen bleibt beziehungsweise beim Publikum ankommt, und das ist der zweite Punkt, sind die kurzen, verständlichen, versendbaren Sätze, die sich in den Nachrichten wiederfinden. Sie geben für Laien die Sinnlosigkeit dieses einseitigen Sparrings kaum wieder. 

Überhaupt stellt sich die Frage, ob es diese Pressekonferenzen braucht, in denen Trump ohne viel Gegenwind sagen kann, was er will. Gleichzeitig sind die Art Interviews, wie Jonathan Swan und Chris Wallace sie geführt haben, kein Hexenwerk. Sie zeigen, dass der Präsident mit Zahlen, Daten, Fakten nur bedingt etwas anfangen kann. Warum sollte man sich also mit diesen Gesprächen aufhalten oder dafür interessieren? 

Besorgniserregend

Sie zeigen in aller Ernsthaftigkeit, dass Trump sich nicht nur auf diese Interviews schlecht vorbereitet, sondern wie es ihm generell an der ernsthaften Auseinandersetzung mit wichtigen Themen fehlt. Dass er Swan antwortet, der sich nach dem Vermächtnis von John Lewis erkundet, der kürzlich verstorbenen amerikanischen Ikone der Bürgerrechtsbewegung, er kenne ihn nicht, Lewis habe nicht an seiner Vereidigung zum Präsidenten teilgenommen, ist eine Sache.

Dass er sagt, man könne Corona-Todesfälle nicht proportional auf einen Bevölkerungsanteil herunterbrechen, um Zahlen zu vergleichen, ist eher besorgniserregend – weil seine Mitarbeiter ihm anscheinend Statistiken vorlegen, die das wahre Bild schönen, und/oder er nicht genau versteht, was dort auf den Zetteln steht. 

Ein streitlustiges Verhältnis zur Presse

Bekanntlich hat Trump seit eh und je ein streitlustiges Verhältnis zur Presse, den Begriff „fake news“ hat er von seiner ursprünglichen Bezeichnung zu einem Anti-Medien-Kampfbegriff gemacht, Journalisten bezeichnete er in der Vergangenheit immer wieder als „enemies of the state“, Staatsfeinde. 

Daneben hat er es verstanden, in dreieinhalb Jahren im Amt immer wieder zu tun, was sein ehemaliger Berater Steve Bannon mal als „flooding the zone with shit“ bezeichnete. Die Demokraten seien egal, als politischer Gegner nichtig, sagte der 2018 in einem Gespräch. Die wahre Oppositionspartei seien die Medien: „Und die Art und Weise, wie man mit ihnen umgehen muss, ist, das Feld mit Scheiße vollzupumpen.“

„Zone flooding“

Was ist damit gemeint? „Zone flooding“ ist in Bannons Denkweise eine Art Propagandamethode, die die etablierten Medien mit „Bullshit“-Geschichten überflutet, bis irgendwann das Wasser derart getrübt ist, dass sich gar nicht mehr sagen lässt, was falsch und was wahr oder wer für was verantwortlich ist. Trumps Tweet aus der vergangenen Woche, ob man den Termin für die Präsidentschaftswahl nicht vielleicht verschieben sollte, ist so eine Flutungsaktion. Sie lenkt ab, sie verstopft die Kanäle. Was wirklich geschieht, findet kaum noch Platz und Erwähnung. 

Interviews, wie sie Chris Wallace und Jonathan Swan mit Trump geführt haben, sind also auch deshalb wichtig, weil sie hin und wieder dazu dienen, die wesentlichen Dinge zu beleuchten und zusätzlich noch einmal eins entlarven: dass der Präsident nämlich gern verkauft, was nicht ist. 

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Christa Wallau | Fr., 7. August 2020 - 15:22

Ja, stimmt! Donald Trump weiß vieles nicht, kann u. will sich keine Zahlen merken bzw. sich gar daran orientieren u. lügt so offensichtlich, daß es einem die Sprache verschlägt. Ich behaupte jedoch, daß die meisten Regierungschefs ebenso oft nicht wissen, wovon sie überhaupt so geschwollen daherreden bzw. fast so oft Unwahrheiten verbreiten wie Trump - bloß tun sie es viel höflicher, versteckter u. raffinierter, so daß sie sich nicht angreifbar machen u. es vielen Zuhörern gar nicht auffällt.
In dieser Hinsicht bildet übrigens Deutschland eine beneidenswerte Ausnahme! Die Kanzlerin u. ihre Ministerriege tischen dem Volk ausschließlich Wahrheiten auf - nichts als die reine Wahrheit! ;)
Nein, ernsthaft:
Falls es bei uns noch wirklich neutrale, kritische Journalisten gäbe, dann sähe manch Ministerlein und Partei-Grande - konfrontiert mit konkreten Fakten und scharfen Fragen - auch ziemlich dumm aus der Wäsche u. blamierte sich in Grund u. Boden- nicht anders als der Tölpel Trump.

So recht ich Ihnen gebe, wird auch Trumps Auftritte, ob nun in Fernsehinterviews oder via Twitter, den eingefleischten Anhänger nicht davon abbringen, ihn dennoch zu wählen. Warum? Nicht,weil er der Beste ist, sondern, weil die Demokraten mit Biden keinen Gegner aufstellten, sondern einen senilen älteren Herren, der sich in peinlicher Manier vorführen lässt.
Ich denke mal, fast jeder Forist hier würde sich knallharte Journalisten in einer Talkrunde oder Einzelinterview wünschen, die unsere Politiker mal neutral und unnachgiebig "stellen" würden. Diejenigen, die es könnten, dürfen nicht und diejenigen die es dürfen können und wollen nicht.
Dennoch bleibe ich dabei, dass 70% seiner Politik durchaus Hand- und Fuß hat. Das kann man von unseren Politikern leider schon lange nicht mehr behaupten. Obwohl heute wieder ein neuer Deutschlandtrend veröffentlicht wurde, wonach die Groko und explizit die Kanzlerin angeblich wieder höchste Werte beim Bürger haben sollen. Ha, ha, ha.

Dafür bekommen sie vielleicht im WH einen Orden. Mauer und Immigrationsgesetzgebung, Repeal&Replace ACA, Infrastruktur, Zölle die Kaufkraft abschöpfen, Steuerreform die zu mehr als 90% an die reichsten 5% gehen, Aktienrückkäufe statt Investitionen für ca. $ 800 Mrd. , Konjunkturstrohfeuer auf Pump, Nordkorea, China ( fragen sie Südkorea oder Japan), Nato, Europa, innerer Friede - man kann die Liste noch lange weiterführen. Das Pandemie-Management, wie es eben ist, ist ein Weltbeispiel von Hand&Fuß. Ich wäre bei bestem Willen bei positiven 10-20% schon erschöpft. Ich bekomme keinen Orden. Auch nicht bei Fox oder Breitbart.

Bei der Autosuggestion wird derselbe formelhaft umrissene Gedanke über längere Zeit in Form mentaler Übungen wiederholt, bis er zum festen Bestandteil des unbewussten Denkprozesses geworden.
Das Problem der neuen Rechten und auch des Präsidenten Trump ist die Autosuggestion.
Dadurch wird Die Meinung Nicht richtiger. Aber Sie sollte trotzdem diskutiert werden und die Argumente doch neutral mit den anderen Fakten abgeglichen werden.

Kai Hügle | Fr., 7. August 2020 - 15:56

Falsch ausgesprochen hat Trump "Sequoias" nicht, nur am Ende ziemlich genuschelt. Und das, obwohl er abliest. Aber wie gesagt, das ist das geringste seiner Probleme...

Uwe Jansen | Fr., 7. August 2020 - 17:48

Ich versuche mir gerade vorzustellen wie unsere BK auf ähnliches kritisches nachhaken reagieren würde.
Es wäre schön sowas noch zu erleben.

obwohl ich weder "Trump-" noch "Merkel-Aktien" halte. Doch wo - übrigens höchst seltene - Interviews vorab dazu zu dienen scheinen, der Interviewten einen roten Teppich für ihre Botschaften zu legen, erübrigt sich ein kritisches Nachhaken seitens des oder der Fragesteller*in aus einsehbaren Gründen von Vornherein :)

Haben Sie jemals eine Pressekonferenz mit Frau Merkel angesehen. Kann man immer live auf Phoenix ansehen. Danach weiss man wie AM auf Fragen reagiert.

AM ist immer sehr gut vorbereitet, steckt in der Materie und kann auch eher provozierende Fragen sachkundig und ruhig beantworten. Oft kommt sogar noch eine Prise Humor dazu.

OK, ist wahrscheinlich nicht das, was Sie hören wollten. Entschuldigung

Genau so ist es, Herr Jansen. Ich kann mich noch gut an das Radio-Interview des
DLF-Reporters Heinemann am 19.3.2019 mit Anton Hofreiter zu der Legitimität der FfF-Freitag-Schulstreiks erinnern. Hofreiter hatte erkennbar nicht mit einem kritisch nachfragenden Journalisten gerechnet und er kam dermaßen ins Schwimmen, dass er einem fast leid tun konnte. Wie schnell wäre das Dreamteam der Grünen durch kritischen Journalismus zu entzaubern - wenn am es denn wollte und seinen Job wirklich ernst nähme.

Hubert Sieweke | Fr., 7. August 2020 - 18:42

zu schreiben, wäre es doch mal an der Zeit, den anderen Kandidaten zu durchleuchten. Der leistet sich nämlich täglich geistige Versprecher und Falscheinschätzungen, sowie Gaffes en nasse, sodass seine demokratischen Freunde bereits Angst haben, wenn er mit Trump zu drei Talkrunden zusammentrifft.
Der liebe Joe lässt sich seit Monaten in seinem Kellerstudio interviewen und schmeißt so ziemlich alles durcheinander. Es werden seine kognitiven Fähigkeiten gesucht, die angeblich ärztlich untersucht worden sein.
Joe wäre mit 78 Jahren bereits im chinesischen Politbüroalter. Seine Fähigkeiten werden sicher nicht besser.... wenn er dann noch mal wiedergewählt würde 86 zum Ende der Amtszeit, wenn.......

regine birch | Fr., 7. August 2020 - 19:32

Ich wuerde mich auch über solch ein Interview/Pressekonferenz mit Frau Merkel freuen. Anne Will ist doch auch hoechst selten und ein Streichelzoo

Wenn man die Entwicklung Deutschlands mit den USA vergleicht, dann könnte Merkel auch einem Interview mit Swan relativ entspannt entgegensehen. Dieser erwähnt Deutschland in dem o.g. Interview ausdrücklich als positives Beispiel für ein umsichtiges Corona-Krisenmanagement. Merkel hat meines Wissens nicht darüber nachgedacht, die Pandemie durch die Einnahme von Desinfektionsmitteln zu bekämpfen, und sie hat auch keine Paramilitärs geschickt, um Corons-Demonstranten festzunehmen. Deutschland verzeichnet auch relativ sehr viel weniger Tote, sehr viel weniger Arbeitslose als die USA und volle Auftragsbücher.

https://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/deutsche-wirtschaft-viel-mehr-auft…

Merkels Umfragewerte gehen durch die Decke. Insofern wäre ein solches Interview eher kontraproduktiv für das, was Sie vermutlich wollen.

...dass hier so getan wird als ob „die Journalisten“ unsere Spitzenpolitiker schonen. Es gibt wohl, nur wenige Länder, wo die Presselandschaft ähnlich offen ist, wie in Deutschland